Liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,

Günter R. J. Plügge, Vizepräsident des SSB

Günter R. J. Plügge, Vizepräsident des SSB

erst kürzlich habe ich in einer TV-Sendung miterlebt, wie in Frankfurt/Main junge Menschen von einem Reporter mit der Frage interviewt wurden, in welchem Bundesland die Stadt Leipzig liegen würde. Viele Äußerer lokalisierten den Standort immerhin in den Osten Deutschlands, etliche waren sich nicht schlüssig, ob Thüringen oder Sachsen-Anhalt die richtige Antwort sei – was soll man dazu sagen, diese schwach Gebildeten würden gewiss auch den Kölner Dom an die Donau versetzen. Man muss ja heute auch nicht mehr über alles Kenntnis haben, weil man ja im Zeitalter mobiler Navigationssysteme lebt, die Stimme aus dem All wird es schon richten!
Erst vor wenigen Jahren hatte sich der Bundesminister Wolfgang Tiefensee als damaliger Oberbürgermeister der Stadt Leipzig bezüglich der Olympia-Bewerbung hervorragend eingesetzt, selbst unter Zuhilfenahme seiner Geige – und seinerzeit stand Deutschland hinter der Kandidatur der Kultur-, Kongress- und Sportstadt Leipzig. Nun, den Ausgang der Geschichte kennen wir; die Sportler der Welt sind aufgerufen, sich im Jahre 2008 zu den Olympischen Spielen in Peking zu treffen; darunter auch die deutschen Sportschützen.
Nun kam der Deutsche Schützenbund ins Spiel und warb erfolgreich um die Ausrichtung der Weltmeisterschaften der Bogenschützen. Besonders der Bundesgeschäftsführer des DSB, Herr Jörg Brokamp, konnte die internationale Jury der FITA davon überzeugen, dass die altwürdige Messestadt Leipzig eine Weltmeisterschaft wert sei. Deutschland ist Gastgeberland der Weltmeisterschaft der Bogenschützen, der Austragungsort liegt im Freistaat Sachsen und dieses Ereignis wird hoffentlich auch Leipzig ein wenig populärer machen.
Die Ausrichtung von Weltmeisterschaften der Sportschützen wurde bisher in den östlichen Teil Deutschlands nur zweimal vergeben: die 44. Weltmeisterschaft im Sportschießen (der Kugeldisziplinen) 1986 in Suhl und die 44. Weltmeisterschaft im Bogenschießen 2007 in Leipzig. Die Mantiker, die vorhersagenden Zeichendeuter, würden uns wohlmöglich prophezeien, dass die „44“ ein günstiges Ohmen sei – wir wollen sie nicht enttäuschen.
Wir, die sächsischen Schützen, können mit unserer Präsens in den Tagen der Bogenweltmeisterschaften durch den Besuch der Leipziger Wettkampfstätte unsere kameradschaftliche Verbundenheit nicht nur zu den deutschen Bogenschützen bezeugen und bei einem seltenen Ereignis von besonderer Art dabei sein - wir können auch, wie der Präsident des Deutschen Schützenbundes, Josef Ambacher, in seiner Rede auf dem 55. Deutschen Schützentag in Saarbrücken betonte, auf der Festwiese in Leipzig „für unseren Verband und für das Bogenschießen in Deutschland einen Meilenstein in der Geschichte“ miterleben. Darum sollten auch die sächsischen Feuerschützen diesen schießsportlichen Höhepunkt nicht versäumen. Schon Publius Papinius Statius (40 – 96 u. Zeit), ein bekannter römischer Dichter seiner Zeit, sagte: „Erbärmlich ist der, der nichts von Pfeilen versteht“. Wenn wir Kugelschützen von Pfeilen auch nicht viel verstehen mögen, hinschauen sollten wir doch und besonders dann, wenn die deutschen Bogenschützen im Wettkampf mit den Besten von über 70 Nationen ihr Können, sowie ihre Leistungen unter Beweis stellen und um die Titel und die Medaillen ringen werden.
Die Sportstadt Leipzig kann in ihrer Geschichte auch auf alte Traditionen des Schützenwesens und Erfolge des Sportschießens verweisen. Die Leipziger Schützengesellschaft führt ihre belegbare Existenz und ihr Wirken auf das Jahr 1443 zurück. Aus der vergangenen Zeit ist überliefert, dass die Leipziger Schützen mit frommen Sinn den heiligen Sebastian verehrten und in der Stadt keinen unwesentlichen Einfluss hatten. Etliche Könige, Herzöge, Grafen und Fürsten aus Sachsen, sowie dem gesamten Deutschen Reich schrieben sich einst in das ehrenvolle Bruderbuch der Leipziger Rüstschützen ein. Einige der Obrigkeiten waren auch Mitglieder der Bruderschaft bzw. Schützengesellschaft. Die Leipziger waren bereits Ausrichter vieler großer Fürsten- und Freischießen im späten Mittelalter (u.a. im Jahre 1512, 1526, 1551 und 1559). Bereits seit der Gründung des deutschen Schützenbundes 1861 spielt Leipzig auch im Deutschen Schützenwesen eine bedeutsame Rolle. Leipziger Schützen nahmen an der Gründungsproklamation in Gotha teil und führten als Gastgeber im Jahre 1884 das 8. und 1934 das 20. Deutsche Bundesschießen durch. Leipzig ist auch die Gründungsstadt des Mitteldeutschen Schützenbundes, welcher hier am 30. März 1873 gegründet wurde. Dieser Schützenbund führte von 1873 bis 1933 in Mitteldeutschland insgesamt 34 Bundesschießen durch, davon erfolgten 7 Veranstaltungen in Leipzig (1873, 1874, 1898, 1911, 1923, 1928 und 1933).
Nach dem II. Weltkrieg fand im Jahre 1952 in Leipzig der erste Länderkampf im Osten, ein Schießsportländerkampf zwischen der CSR und DDR, statt. Im Juni 1954 nahm der Zentrale Klub für Sportschießen in Leipzig, eine Trainingsstätte des Leistungs- und Hochleistungssports für das Sportschießen der DDR, seine Arbeit auf. Außerdem wurde am 8. Oktober 1958 in Leipzig der Deutsche Schützenverband der DDR (1958 bis 1990) gegründet.
In diesem 1. Leistungssportzentrum in Leipzig (später kamen die Klubs in Frankfurt/Oder, Hoppegarten und Suhl hinzu) trainierten die prominentesten Schützen der DDR - einige von ihnen wurden weltweit bekannt. Dieser Klub förderte Meisterschützen, welche bei den Olympischen Spielen zwischen 1968 und 1988 1 Gold-, 7 Silber- und 3 Bronzemedaillen errangen. Aus Leipzig kamen Olympiasieger, Weltmeister (4 Einzeltitel), Europameister (53 Medaillen) und die jeweils Platzierten, Weltschützen des Jahres, DDR-Meister sowie Sieger und Platzierte bei internationalen und nationalen Wettkämpfen.
Am 18. April 1990 wurde in Leipzig der Sächsische Schützenbund als erster Landesschützenverband in der DDR gegründet. Bei diesem Ereignis waren unter den Ehrengästen u.a. der heutige Präsident des DSB, Josef Ambacher, und der heutige Vizepräsident des DSB, Heinz-Helmut Fischer, anwesend. Leipzig ist seitdem der Sitz des SSB. Die Geschäftsstelle hat ihre Heimstatt auf historischen Schützenboden, dem Leipziger Schützenhof.
Im Jahre 1994 herrschte nicht nur in Leipzig eine große Freude, aus der sächsischen Messestadt kam die Bundesschützenkönigin Ulrike Siora, die auf dem Deutschen Schützentag in Frankfurt/Main gekürt worden war. Bei soviel Leipziger Schützentradition, die ich hier angeführt habe, möchte ich nicht vergessen, dass heute in der sächsischen Sport- und Schützenstadt Leipzig 18 Schützenvereine ein reges Schützenleben führen.
Und wo liegt nun Leipzig? -  na dort, wo zwischen dem 7. bis 15. Juli 2007 nicht nur für uns Schützen auf dem Weltparkett des faszinierenden „weißen Sports“ eine attraktive Weltmeisterschaft stattfinden wird. Der Countdown läuft - die 44. WM der Bogenschützen ist eine Reise wert.
Also, ins Visier nehmen: Die Festwiese unmittelbar vor dem Glockenturm des Leipziger Zentralstadions.
Ich grüße Sie herzlich mit Schützengruß

Günter R.J. Plügge, Vizepräsident des SSB