Liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,

Günter R. J. Plügge, Vizepräsident des SSB

Günter R. J. Plügge, Vizepräsident des SSB

sobald der Herbst ein gediegenes Schießen im Freien nicht mehr zuließ, pflegten die deutschen Schützen seit vielen Jahrhunderten in allen Städten und Orten, wo Schützengemeinschaften wirkten, die jährliche Schützensaison mit einem „Abschießen“ und feierlichen „Einzug“ abzuschließen. Das Übungs- und Wettkampfschießen war beendet, von jedem Beteiligten waren die vorgeschriebenen Pflichtschüsse gemäß der jeweiligen Leges, Ordnung oder Statuten der Feuerschützen ordnungsgemäß abgegeben und die vom Landesherrn sowie vom städtischen Rat erteilten Legate und Vorteile waren gewissenhaft nach den ermittelten Schießleistungen vergeben worden. Im Festumzug durch die Straßen der Stadt zeigten die Schützen stolz ihre „erbeuteten“, blinkenden Trophäen zur Schau: die begehrten Silberlöffel, Pokale aus Silber und Zinn, Zinnteller mit Gravuren und andere erstrebenswerte Preise  -  und manch einer trug seine neue Hose, die er aus der Hosentuchprämie fertigen ließ. Der Jahres-beste war ermittelt und schritt im Ornat mit der erlauchten Kette des Schützenkönigs im Festzug nach den Musikern und der Fahne allen anderen würdig voran. Mit einem Fest auf dem Schützenwiese beendete die wackere Schützenschar die ganze Lustbarkeit des Jahres.
Der Einzug der Schützengilde an einem Sonntag im Herbst galt als ein besonderer Festtag der Feuer- oder Rohrschützen und hatte den Charakter eines Volksfestes, weil er mit den Bürgern der Stadt zusammen feierlich begangen wurde und besondere Belustigungen der Schützen sowie vielerlei Kurzweil für die Bürger und Gäste bot. Im kameradschaftlichen Verkehr aber kam geflissentlich eine Ungezwungenheit zur Erscheinung, die alle sonst peinlich gewahrten bürgerlichen Standesunterschiede zu verwischen schien. Wo der Becher kreiste oder die Fiedel lockte, da atmete alles den berauschenden Hauch von Freiheit und Gleichheit im Sinne eines uneingeschränkten Lebensgenusses - und auf dem Schießanger kam ein alter Grundsatz: Leben und leben lassen! vollauf zur Geltung.
Diese kurz gefasste Rückschau in die etliche hundert Jahre alte Schützengeschichte ist jedoch nicht nur Vergangenheit, liebe Schützenfreunde, sie ist ein Zeitspiegel aus der Ahnenzeit, aus dem für uns gegenwärtig viele erhaltenswerte Elemente als regionales Brauchtum und gepflegte Schützentradition reflektieren. Tradition ist Identität und fördert das Zusammenleben. Viele dieser Bräuche unserer Alten leben im jährlichen Zyklus der Schützenquartale die Schützenvereine weiter fort. Diesen Zusammenhang von Sportschießen und Schützenbrauchtum jährlich aufs Neue miterleben zu können, ist für mich stets ein erfreuliches Erlebnis der besonderen Art.
Nun komme ich erst einmal zu den „Silberlöffeln“:
Zunächst freue ich mich zusammen mit meinen Präsidialkollegen über die guten Ergebnisse unserer sächsischen Schützen bei den 49. Weltmeisterschaften im Sportschießen in Zagreb sowie bei den Deutschen Meisterschaften. Abermals in der Geschichte des Sächsischen Schützenbundes können wir wieder seit 1990, damals wurde bei den 45. Weltmeisterschaften in Moskau der später mehrfache Olympiasieger Ralf Schumann für „die Farben“ des SSB Einzel-Weltmeister mit der Schnellfeuerpistole, auch mit Einzelwertungserfolgen bei Weltmeisterschaften aufwarten. Zwei Löbauer Pistolenschützen kehrten aus Kroatien mit Medaillen heim: Christian Reitz, Europameister von 2003 und 2005 (jeweils Mannschaft), wurde in der Disziplin Olympische Schnellfeuerpistole der Junioren Weltmeister in der Einzel- und Silbermedaillengewinner in der Mannschaftswertung. Philipp Wagenitz, Europameister 2005 (Einzelwertung), errang in der gleichen Disziplin die Silbermedaille in der Einzelwertung sowie die Silbermedaille in der Mannschaftswertung. Herzlichen Glückwunsch, ehrenwerte Weltmeister, auch meinerseits für die hervorragenden Erfolge, die ich gerne auch einmal im editorialen Teil unserer Verbandszeitschrift namentlich erwähnen darf. Man muss allerdings nicht erst die Fähigkeiten einer trojanischen Kassandra besitzen, um heute schon prophezeien zu können, dass uns im Sächsischen Schützenbund hinsichtlich einer gangbaren beruflichen Beschäftigung in Sachsen für einen talentierten Schützen, wie es eben Christian Reitz ist, das gleiche Schicksal wie im Jahre 1991 mit Ralf Schumann widerfahren wird. Schützenbruder Reitz wird in Sachsen keinen „Job“ erhalten, der Arbeit und Training sinnvoll verbinden kann. Somit wird er uns in absehbarer Zeit als Kader im Sportschießen verloren gehen. Damit „ade!“ auf Hoffnungen für mögliche Chancen einer Olympiateilnahme und –medaille im Jahre 2008 in Peking - denn diese Früchte wird vermutlich ein westliches Bundesland ernten. Da haben die trägen und kurzsichtigen Sachsen in den einflussreichen Etagen der Politik, des Sports und der Wirtschaft wieder einmal mehr gezeigt, wie interesselos und gleichgültig sie tatsächlich den Belangen talentierter Sportler im eigenen Lande gegenüber stehen. Das ist wieder die alte Geschichte vom Topf und Deckel, und das beide Dinge zusammen passen müssen - der politische Ruf nach einer erfolgreichen Jugendarbeit wird zur Phrase, wenn die sozialen Voraussetzungen hinken. Außerdem geht die Motivation in Sachen Jugendarbeit gründlich „in die Brüche“. U.a. „schwimmen die Felle“ auch für bessere Möglichkeiten der sächsischen Sportförderung für den SSB weg!
Zu dieser Kritik passt auch meine Bemerkung darüber, dass ich noch keinen vehementen Aufschrei, keinen Protest oder ein missbilligendes Bedenken von offiziellen Stellen aus Sachsen hinsichtlich der Eventualität gehört habe, dass uns seitens der Bundesregierung weiteres Unbill und erhebliche Belastungen für des Vereinswesen zugemutet werden soll. Die geplanten Änderungen des Steuerrechts hinsichtlich der Gemeinnützigkeit zielen auf eine Einschränkung der von der Körperschaftssteuer befreiten Einrichtungen und eine engere Fassung des Spendenprivilegs hin. Da kann ich nur ebenfalls empört den Präsidenten des Deutschen Schützenbundes, Josef Ambacher, zitieren: „Unsere Vereine sind nicht dazu da, die Löcher im Haushalt des Bundesfinanzministeriums zu stopfen“  (DSZ 9/2006). Es drohen den Vereinen künftig beträchtliche Erschwernisse, welche die ehrenamtliche Arbeit weiterhin erschweren würde. In den Reihen der Schützen sind auch etliche Bundestagsabgeordnete als Mitglieder mehr oder weniger aktiv. Ich bin so naiv zu glauben, dass unsere Volksvertreter diese Reformsache zur Gewissensfrage machen und hinsichtlich dieser Problematik auch Courage zeigen werden.
Hinsichtlich der Erfolge der sächsischen Schützen bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften kann man ebenfalls über gute Resultate berichten (Siehe dazu den ausführlichen Bericht in dieser Ausgabe). Obwohl mir die Ergebnisse der Deutschen Meisterschaften in den Sommerbiathlon- Disziplinen noch nicht vorliegen, gibt es bisher die folgende Bilanz: Acht Titel Deutscher Meister (Goldmedaillen), sieben Silbermedaillen und sechs Bronzemedaillen. Das Präsidium des Sächsischen Schützenbundes gratuliert den Medaillengewinnern besonders herzlich und lädt alle zur Sportlerehrung am 19. November 2006 ein.
Nach der Rushhour der Meisterschaften und Wettbewerbsleistungen, die bis in den Vorherbst anhalten, stehen nunmehr in den Vereinen die Schützenfeiern im Mittelpunkt der Ereignisse; auch in der Art, wie ich eingangs über den „Einzug“ berichtet habe. Etliche brauchtumsgerechte Veranstaltungen der Schützen werden wieder mit anderen lokalen Höhepunkten, u.a. Stadtfeste, Feuerwehrfeste und Jubiläen, verbunden sein – diese sind neben der Freude am Feiern und an der Geselligkeit auch eine gute Gelegenheit für die Schützensache zu werben.
Jüngst vergangen nahm ich in den verschiedensten Regionen an Schützenfeiern, Festumzügen, Vereinsjubiläen und Königsfeiern unserer Vereine teil. Besonders freute ich mich bei diesen Gelegenheiten über Begegnungen mit den so genannten „alten Haasen“, d.h. mit Schützenschwestern und Schützenbrüdern, die bereits seit der Gründung bzw. Widergründung ihrer Schützengemeinschaften nach 1990 rege und verlässlich ihre Mitwirkung und Vereinstreue unter Beweis stellen. Wiederholt konnte ich dabei die Beobachtung machen, dass die Schützenfreunde, die feierlich mit Medaillen ausgezeichnet wurden, sich über diese öffentliche Würdigung freuten - in der Regel waren es jedoch Ehrungen mit Vereinsauszeichnungen. Auf ein Nachfragen meinerseits, wieso selbst „Alt“-Mitglieder oder langjährige Vorstandsmitglieder bisher kaum oder gar nicht die möglichen Ehrungen des SSB und DSB erhielten, bekam ich fast immer eine verlegene Antwort, deren Inhalt stets gleich lautend war: Man hätte bei der Organisation der Veranstaltungsvorbereitung die Antragsstellung an die Geschäftsstelle des Sächsischen Schützenbundes schlicht und einfach vergessen! Liebe Vorstände, die Ehrungen des Verbandes (SSB) und des Bundes (DSB) haben gegenüber den Vereins- und Schützenkreisauszeichnungen in ihrer allgemein anerkannten Geltung und gehobenen Würdigungsart für den Einzelnen natürlich einen höheren Stellenwert der Ehrung. Außerdem haben die Ehrungen seitens der Landes- und Bundesebene einen allgemeinen Vergleichscharakter, eine sichtbare und für manchen Träger wichtige Bedeutung bei den Veranstaltungen der Schützen, der beim Vis-a-vis-Abgleich besonders die Wertschätzung der ehrenamtlichen Arbeit zum Ausdruck bringt.
Den aktivsten Mitgliedern zu gegebener Zeit das sichtbare „Dankeschön“ überreichen zu können ist der Sinn der Ehrungsmöglichkeiten und somit der Arbeit des Ehrungsausschusses. Die erforderliche Kontrolle über Ehrungen und Glückwünsche sollte in der Regel in der Aufgabenbeschreibung des stellvertretenden Vorsitzenden enthalten sein. Ich würde mich über ein Nachdenken und Handeln in dieser Sache sehr freuen.

Mit dieser Hoffnung grüße ich Sie herzlich mit Schützengruß

Günter R.J. Plügge, Vizepräsident des SSB