Position des Deutschen Schützenbundes zum 7-Punkte-Programm

Vorbemerkung:

Der DSB und seine Sportschützen haben mit Trauer und Entsetzen auf das schreckliche Ereignis von Erfurt reagiert. Waren sich anfangs noch die verantwortlichen Politiker einig darin, für diese Tat eines Einzelnen nicht die Schießsportvereine und ihre Schützen verantwortlich machen zu wollen, so ist die Folgediskussion – vor allem in der Presse - über die Verschärfung des Waffenrechts schnell weg von sachlichen Argumenten zu populistischen Forderungen gegangen. Dabei besteht Einigkeit, dass ein solcher Amoklauf kaum zu verhindern ist. Es hat sich auch herausgestellt, dass der Waffenerwerb durch eine mangelhafte Kontrolle des Vereinsvorsitzenden und durch ein Vollzugsdefizit bei der entscheidenden Behörde möglich geworden war. Es bestand schließlich Einigkeit, dass das am selben Tage vom Bundestag verabschiedete Waffengesetz "ein guter Kompromiss ist, der die innere Sicherheit in Deutschland nach vorne bringt" (Zitat: Dr. Behrens, Innenminister Nordrhein-Westfalen). Der Waffenerwerb wäre nicht nur nach der geltenden Rechtslage zu verhindern gewesen, er wäre es auf jeden nach der vom Bundestag beschlossenen Rechtslage. Grundsätzlich besteht daher für weitere Verschärfungen des ohnehin drastisch verschärften Waffenerwerbs kein rechtliches Erfordernis. Der DSB verwahrt sich dagegen, dass seine Sportschützen nun in der öffentlichen – auch politischen - Diskussion mit dem Täter "in einen Topf geworfen" werden.


1. Heraufsetzung der Altersgrenze für den Erwerb und Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen für Sportschützen von 18 auf  21 Jahre

  • Der DSB kann eine Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre mittragen, sofern diese beschränkt wird auf Großkaliber-Kurzwaffen.
  • Für den Bereich der Kleinkaliberwaffen lehnt der DSB eine Heraufsetzung der Altersgrenze ab, weil dies zum Erliegen des Schießsports führen würde. Die olympischen Disziplinen im Pistolen- und Gewehrbereich werden mit Kleinkaliber-Waffen ausgeführt. Die Juniorenklasse beginnt mit 18 Jahren. Spätestens in diesem Alter benötigen die Schützen für die von ihnen geschossenen Disziplinen eine eigene Waffe. Diese Waffen sind für auf die speziellen Bedürfnisse des jeweiligen Schützen abgestimmt und eingestellt. Es ist ausgeschlossen, dass ein Leistungsschütze in diesem Alter mit einem allgemeinen Vereinsgewehr Leistungen erbringt, die zur erfolgreichen Teilnahme an Europa- und Weltmeisterschaften sowie an Weltcup-Veranstaltungen berechtigen. Gerade der Altersbereich der 18 bis 21-jährigen ist für den Leistungssport wichtig, da in diesem Bereich bereits Leistungen im Training wie im Wettkampf erbracht werden müssen, die zu einer schießsportlichen Entwicklung in Richtung Weltklasse führen.

Die in Erfurt verwendet Pistole war eine großkalibrige Pistole.

Die Differenzierung des Alters hinsichtlich der Waffen in Kleinkaliber und Großkaliber lässt sich auch deswegen gut vertreten, weil in anderen Gesetzen, die den Umgang mit Geräten mit höherem Gefährdungspotential regeln, diese Unterscheidung getroffen wird. So kann der Sprengstofferlaubnisschein erst mit 21 Jahren erworben werden; auch das Führerscheinrecht trifft die Unterscheidung: 18 Jahre PKW / 21 Jahre LKW.

Kleinkaliberwaffen sind nach den polizeilichen Statistiken nicht deliktsrelevant.

  • Eine weitere Heraufsetzung des Alters auf 25 Jahre für großkalibrige Schusswaffen ist nicht sachgerecht. Dies würde dazu führen, dass die Vereine verstärkt großkalibrige Schusswaffen beschaffen müssten, die im Schützenhaus aufbewahrt werden müssen. Dies führt zu den Sicherheitsproblemen, die ebenso für die Aufbewahrung von Munition gelten. Kriminelle Elemente könnten sich einfach gerade die deliktsrelevanten großkalibrigen Waffen mit entsprechender Munition auf leichtem Wege beschaffen.
  • Abzulehnen ist das Erfordernis eines sog. "Idiotentests". Es ist nicht nachvollziehbar, dass im allgemeinen rechtstreue und unauffällige junge Staatsbürger, von denen der Staat im übrigen die Leistung des Wehrdienstes erwartet und denen er auch das Wahlrecht eingeräumt hat, ohne jeden Anlass sich einer psychologischen Untersuchung unterziehen sollen. Es ist allgemein bekannt, welche Probleme derartige Untersuchungen mit sich bringen, wie wenig aussagekräftig diese in der Regel sind und wie stark ihre Ergebnisse geprägt sind vom Vorverständnis des Untersuchenden.
  • Die Frage der Altersgrenze knüpft offensichtlich an den Reifeprozess Jugendlicher an. Wenn dies als Kriterium für den Umgang mit Waffen relevant sein soll, so muss dies jedoch für alle Jugendlichen gleichen Alters gelten. D.h., auch Soldaten der Bundeswehr, Polizeibeamte, Wachdienste und Jäger gehen eigenverantwortlich mit Waffen um, für die sie die erforderliche Reife besitzen müssen. Eine Beschränkung der Altersgrenze lediglich auf Sportschützen führt letztlich zur Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, ohne dass ausreichende Gründe für die verfolgte Ungleichbehandlung geltend gemacht werden können.


2. Schießausbildung Minderjähriger

Die Tat von Erfurt hat keinerlei Bezug zu der Schießausbildung Minderjähriger, die der Bundestag gerade mit der Herabsetzung der Altersgrenze von 12 auf 10 Jahre für das Schießen mit Luftdruckwaffen beschlossen hat. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass aus der Tat von Erfurt auf einmal Umstände abgeleitet werden sollen, die zu der diskutierten Rücknahme dieser Absenkung führen. Der DSB hat in der Vergangenheit ohne jede Beanstandung eine verantwortungsbewusste, sachkundige und allgemein anerkannte Jugendarbeit in seinen Vereinen durchgeführt.

Die hier in Anlehnung an frühere Entwürfe vorgebrachten Verschärfungen werden vom DSB abgelehnt. Insbesondere kann es nicht hingenommen werden, wenn durch Rechtsverordnung die Anforderungen an die vom Sport zu bestimmende Jugendarbeit festgelegt werden soll. Gegen einen derartigen Eingriff in die Autonomie des Sports wendet sich der DSB vor allem deshalb, weil es hierfür keinerlei Veranlassung gibt. Es ist dem DSB zudem nicht bekannt, dass in anderen Sportarten, die zu körperlich und psychisch erheblichen Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen führen können, überhaupt daran gedacht wird, Regelungen vorzusehen. Warum hier der Schießsport und eine ganze Jugendgeneration zum Sündenbock gestempelt werden soll, ist für den DSB nicht nachvollziehbar; Gründe der inneren Sicherheit sind insoweit nicht geltend gemacht!


3. Behördliche Genehmigung von Schießsportordnungen, Definition des Sportschießens

a)

  • Gegen eine Definition des sportlichen Schießens hat der DSB keine Einwendungen, hat er doch selbst eine entsprechende Definition vorgeschlagen, die vom Bundestag beschlossen worden ist. Im Hinblick auf die schießsportlichen Erfordernisse, die jedoch kaum von der Verwaltung beurteilt werden können, sollte eine solche Definition jedoch in Abstimmung mit dem DSB erarbeitet werden, damit nicht plötzlich olympische Disziplinen nicht mehr als Sportschießen gelten.
  • Für den DSB nicht tragbar ist jedoch eine Genehmigungspflicht für Schießsportordnungen. Hierbei handelt es sich um einen einmaligen Eingriff in die sportliche Selbstverwaltung. Es muss dem DSB als Schießsportverband vorbehalten bleiben, allein zu definieren, welche Voraussetzungen (Inhalte und Abläufe) das sportliche Schießen hat. Auch die Einrichtung eines Fachbeirates (mit welchen Kompetenzen ?) kann nichts daran ändern, dass eine Genehmigung der von internationalen Verbänden wie z.B. dem Internationalen Olympischen Komitee vorgegebenen schießsportlichen Voraussetzungen durch eine Behörde ohne jeden schießsportlichen Sachverstand nicht in Betracht kommt.
  • Eine derartiger Eingriff in die bisher allseits anerkannte Autonomie des Sports ist zudem aus Rechtsgründen nicht erforderlich: Die zuständige Waffenbehörde hat es nach den geltenden und nach den beschlossenen Regelungen in der Hand, den Erwerb von Waffen auszuschließen, wenn diese ersichtlich nicht vom Begriff des Sportschießens gedeckt sind.

b)

  • Gegen ein Verbot von Flinten mit Vorderschaftsrepetierer (sog. Pump-Gun) bestehen aus Sicht des DSB keine Bedenken.



4. Eingrenzung des Erwerbs gefährlicher Gebrauchswaffen durch Sportschützen

  • Grundsätzliche Bedenken gegen die Einbeziehung der Repetier-Langwaffen in das sog. Kontingent werden nicht erhoben. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass hierunter auch die im Biathlon – einer Sportart mit zunehmendem Zuschauerinteresse - verwandten Kleinkaliber-Langwaffen fallen.
    Der DSB regt daher an, diese Kleinkaliber-Langwaffen aus dem Kontingent herauszunehmen. Kleinkaliber kann definiert werden als Kaliber .22 und kleiner für Munition mit Randfeuerzündung.
  • Unverständnis löst die Forderung aus, die vom Bundestag abgelehnte sog. Tauschregelung wieder einzuführen. Auch insoweit ist ein Bezug zu Erfurt nicht erkennbar. Die Tauschregelung führt dazu, dass der Sportschütze für den Fall des Disziplinwechsels seine bisherige Waffe abgeben muss, wenn er mit dieser – zunächst – nicht mehr schießt. Entschließt er sich nach einiger Zeit doch wieder mit der früheren Disziplin fortzufahren, fehlt ihm die Waffe. Dies führt zu einer erheblichen finanziellen Belastung des Sportschützen, ohne für die innere Sicherheit mehr Gewinn zu bringen.


5. Keine private Verwahrung von Munition für großkalibrige Waffen durch Sportschützen

  • Gegen diesen Vorschlag sprechen vor allem erhebliche Sicherheitsbedenken. Schützenhäuser liegen vielfach – wegen des Lärmschutzes - außerhalb der Wohnbebauung, sind nicht bewohnt und nur zu bestimmten Zeiten genutzt. Auch wenn die zu schaffenden Räumlichkeiten ausreichend gesichert wären, so könnten kriminelle Elemente in aller Ruhe ein Schützenhaus ausräumen, ohne von der Nachbarschaft wahrgenommen zu werden.

Hierzu muss berücksichtigt werden, dass

  1. ein durchschnittlicher Schütze, der nicht nur zum Spaß seinen Sport ausübt, sondern auch an Meisterschaften teilnimmt, zwischen 10.000 und 20.000 Schuss Munition benötigt (z.B. benötigt der Olympiasieger und Weltmeister Schumann etwa 60.000 Schuss im Jahr !). Während der Wettkampfzeit von Frühjahr bis Herbst würden daher mehrere Hunderttausend Schuss Munition in den Schützenhäusern lagern,
  2. ein Schütze in der Regel ein Los (eine Charge) Munition kauft, für die er seine Waffe eingeschossen hat und mit der er selbst am besten zurecht kommt. Ein solches Los umfass in der Regel mindestens 10.000 Schuss. Es ist daher nicht möglich, dass ein Schütze heute die Munition A und morgen die Munition B usw. verschießt, weil unter solchen Verhältnissen die erforderlichen Leistungen nicht zu erzielen sind.

Wenn im Hinblick auf die Heraufsetzung der Altersgrenze für großkalibrige Waffen – eventuell sogar auf 25 Jahre – der Verein zudem noch erhebliche Mengen an großkalibrigen Waffen vorhalten muss, so ergibt sich insgesamt eine hervorragende Möglichkeit der Beschaffung von Waffen und Munition durch Einbruch für kriminelle Zwecke. Dies kann nach Auffassung des DSB nicht ernsthaft erwogen werden, weil durch eine solche Regelung die Belange der inneren Sicherheit geradezu ins Gegenteil verkehrt werden.


6. Eine Meldepflicht der Waffenhändler über den Erwerb erlaubnispflichtiger Schusswaffen dürfte sinnvoll sein.


7. Stärkung der staatlichen und verbandlichen Aufsichts- und Einwirkungsmöglichkeiten auf die Vereine

Die Vorstellung, der DSB solle seine Mitgliedsverbände überwachen, scheint dem obrigkeitsstaatlichen Verständnis der Vergangenheit entsprungen zu sein. Die erforderlichen Mechanismen hinsichtlich des anerkannten Schießsportverbandes sind bereits vom Bundestag beschlossen worden. Welche weiteren Erfordernisse von Seiten des Staates für nötig gehalten werden, um offensichtlich eine umfassende Kontrolle eines gesamten Sportbereiches zu erhalten, ist für den DSB nicht vorstellbar. Bereit mit der Regelung der Anerkennung als Schießsportverband greift der Staat in einmaliger Weise in die Autonomie des Sports ein und unterwirft die Verbände bereits jetzt einer weitestgehenden Kontrolle ihrer Tätigkeit. Noch weitergehende Auflagen werden für den DSB die Frage aufwerfen, ob er sich überhaupt noch dem Anerkennungsverfahren als Schießsportverband unterziehen soll.


Ergänzung

Soweit vom Land Sachsen die bereits vom Bundestag nicht beschlossene Forderung, Sportschützen, die sechs Monate nicht mehr im Verein aktiv waren, den Behörden zu melden, weiterverfolgt wird, tritt der DSB dem mit aller Entschiedenheit entgegen. Dies ist von einem normalen Verein nicht zu bewerkstelligen, schafft Unfrieden in den Vereinen (wer ist aktiv ?) und führt zu einem ungerechtfertigten Misstrauen und nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand.

Wiesbaden, 15.5.2002
Jürgen Kohlheim
Vizepräsident Deutscher Schützenbund