DSB-Vizepräsident Jürgen Kohlheim

DSB-Vizepräsident Jürgen Kohlheim

DSB-Vizepräsident Jürgen Kohlheim zum neuen Waffengesetz

Am 01. April 2003 tritt das neue Waffengesetz in Kraft. Jürgen Kohlheim (Foto), Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes, äußert sich zu den rechtlichen Änderungen, die den größten deutschen Schützenverband betreffen.


Mit dem Waffenrechtsexperten des DSB sprachen die Kollegen vom Fachmagazin VISIER.

„Welche neuen Aufgaben und Verpflichtungen kommen durch das neue Gesetz auf den DSB, seine Landesverbände und Vereine zu, wo bestehen wesentlichen Unterschiede zum alten Waffenrecht ?“

„Der Gesetzgeber hat in dem neuen § 15 Waffengesetz den „anerkannten Schießsportverband“ geschaffen und diesem sogleich eine Reihe bisher nicht gekannter Pflichten auferlegt. So muss der anerkannte Schießsportverband ein Verfahren festlegen, um die ihm angehörenden schießsportlichen Vereine regelmäßig darauf zu überprüfen, dass diese die ihnen nach dem Waffengesetz obliegenden Verpflichtungen erfüllen, Nachweise über die sportlichen Aktivitäten ihrer Mitglieder führen und drittens über eigene Schießstätten oder Nutzungsverträge hierüber verfügen. Hierdurch soll der DSB zu einer Kontrollinstanz seiner Vereine werden. Es ist gegenwärtig noch völlig offen, auf welche Art und Weise diese gegenüber der bisherigen Rechtslage neuen Voraussetzungen für die Anerkennung als Schießsportverband seitens des DSB zu erfüllen sind. Der DSB versteht sich jedenfalls nicht als staatliches Überwachungsorgan oder Blockwart seiner Vereine; er ist und bleibt ein Sportverband, dessen Aufgabe allein die Förderung des Schießsports ist. Den Schießsportverbänden ist ab 1. April auch die Ausstellung der Bedürfnisbescheinigungen für den Erwerb von Waffen übertragen worden, die bisher für die erste und zweite Waffe noch vom Verein ausgestellt wurden. Schließlich ist den Vereinen unmittelbar durch das Gesetz die Verpflichtung auferlegt worden, ausgeschiedene Mitglieder, die Inhaber einer WBK sind, der zuständigen Behörde zu melden. Diese Verpflichtung galt unter dem bisherigen Recht nicht, allerdings haben manche Behörden dies schon entgegen der Rechtslage gefordert, und mancher Verein hat dies in der Vergangenheit auch freiwillig praktiziert.“

„Wie hat das Bundesverwaltungsamt bislang auf die neue Maßgabe reagiert, die Schießsport-Ordnungen zu genehmigen ? Gibt es dort bereits einen Ansprechpartner ?“

„Im Bundesverwaltungsamt ist bereits ein Referat mit dieser Angelegenheit betraut worden. Der Referatsleiter und die dort zuständigen Referenten haben schon an Gesprächen, die das BMI mit den Verbänden geführt hat, teilgenommen. So konnte bereits ein persönlicher Kontakt hergestellt werden. Konkrete Vorstellungen zum Genehmigungsverfahren, sowohl in formeller wie in inhaltlicher Hinsicht, bestehen jedoch nicht. Da diese Aufgabe für alle Betroffenen neu ist, wird hierfür noch viel Beratungsbedarf bestehen.“

„Halten sie den massiven staatlichen Eingriff in den Grundsatz der freien Ausübung des Sports für gerechtfertigt ? Gibt es Parallelen ?“

„Die den anerkannten Schießsportverbänden auferlegten erwähnten Pflichten halte ich für nicht gerechtfertigt; sie sind auch vor dem Hintergrund der Wahrung der öffentlichen Sicherheit nicht erforderlich. Der Staat wälzt hier Aufgaben, die wahrzunehmen eigentlich seine ureigene Sache ist, auf den Sport ab. Derartige Regelungen gibt es nur in den Bereichen, in denen Private von Staats wegen mit bestimmten Aufgaben betraut werden, wie etwa der TÜV. In solchen Fällen sind dann aber auch die Behörden an die Entscheidungen dieser beauftragten Stellen gebunden. So hätte man ja auch bei der Bescheinigung eines Bedürfnisses die Behörden an die vom Verband nach sorgfältiger Prüfung und aufgrund der vorhandenen Fachkunde ausgestellte Bescheinigung binden können. Soviel Vertrauen wollte man aber den anerkannten Schießsportverbänden trotz der auferlegten Pflichten nicht entgegenbringen. In anderen Sportbereichen gibt es derartige Eingriffe meiner Kenntnis nach - Gott sei dank - nicht.“

„Was ändert sich für die Schützenvereine ?“

„Für den einzelnen Verein ist zunächst einmal wichtig, dass die Meldepflicht für ausgetretene Mitglieder eingeführt worden ist. Bereits bei der Aufnahme muss daher künftig das Mitglied verpflichtet werden, dem Vorstand den Erwerb von WBK-pflichtigen Waffen zu melden. Woher soll der Vorstand sonst wissen, ob das Mitglied eigene WBK-pflichtige Waffen hat? Sodann muß für ein Mitglied, dem erstmalig eine WBK erteilt wurde, der Nachweis über dessen schießsportliche Tätigkeit geführt werden. Dies kann zum Beispiel durch eine persönliche Schießkladde geschehen, die der Schütze führt und die wohl vom Verein kontrolliert werden muss, oder durch ein auf dem Schießstand ausliegendes Schießbuch geschehen, in das der Schütze sich einträgt. Im einzelnen ist hier noch vieles ungeklärt. Der DSB und seine Landesverbände werden jedoch in Kürze Empfehlungen herausgeben, wie hier verfahren werden kann. Dies wird dann in den Schützenzeitungen und auch auf der Homepage des DSB (www.schuetzenbund.de) sowie der Landesverbände nachzulesen sein.“

„Welche Änderungen und ergeben sich für die Vereinsmitglieder ?“

„Für die Mitglieder unmittelbar ergeben sich vor allem wesentliche Änderungen bei der Aufbewahrung von Waffen. Reichte es bisher aus, Waffen und Munition sorgfältig aufzubewahren, so ist jetzt bereits im Gesetz ein Mindeststandard je nach Zahl und Art der Waffen festgeschrieben. Die genauen Regelungen stehen aber noch nicht fest. Sie sollen in der Allgemeinen Verordnung zum Waffengesetz niedergelegt werden, mit deren Erscheinen zum 1. April jedoch nicht zu rechnen ist. Ein wesentlicher Punkt ist auch, dass WBK-pflichtige Waffen zur vorübergehenden Verwahrung nur einem WBK-Inhaber überlassen werden dürfen.“

„Wie wirken sich die Neuerungen auf Jugendschützen und Jugendarbeit der Verbände aus ?“

„Es war für den DSB eine sehr herbe Enttäuschung, dass nach der furchtbaren Tat von Erfurt die vom Bundestag beschlossene Herabsetzung der Altersgrenze für das Schießen mit Druckluftwaffen auf zehn Jahre rückgängig gemacht wurde. Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem für das Schießen überhaupt eine Altersgrenze besteht. Dies erschwert trotz der möglichen kostenpflichtigen Ausnahmeregelungen die Jugendarbeit ganz erheblich. Hinzu kommt, dass neben der verantwortlichen Aufsichtsperson nun beim Schießen bis zum 16. Lebensjahr eine zur Kinder- und Jugendarbeit geeignete Aufsichtsperson anwesend sein muss. Auch diese zusätzlichen Anforderungen müssen von unseren ehrenamtlich arbeitenden Verantwortlichen im Verein erst einmal erfüllt werden.“

„Der Gesetzgeber versprach eine bessere Lesbarkeit des neuen Waffenrechts. Wird der Gesetzestext dem gerecht ?“

„Zwar hat das Gesetz jetzt eine klarere Struktur als früher; leichter lesbar ist es indes nicht geworden. Die beiden Anlagen mit einer Fülle von Definitionen erschweren das Lesen erheblich. Eine Vielzahl von Vor- und Rückverweisungen führt zu ständigem Blättern im Text. So erschließt sich die Antwort auf die oft an mich gerichtete Frage, ob für das Schießen mit der Armbrust nun auch die Altersgrenzen gelten (nein!), erst nach einer Wanderung durch das Gesetz und die beiden Anlagen. Dies ist für den Juristen schon nicht einfach und für den normalen Bürger kaum nachzuvollziehen.“

„Das neue Gesetz enthält mehrere Verordnungsermächtigungen, die bislang aber noch ausstehen. Welche davon sehen sie als potentiell problematisch an ?“

„Verordnungsermächtigungen sind immer problematisch, weil sie der Exekutive die Möglichkeit einräumen, am Parlament vorbei ein Gesetz in eine bestimmte Richtung zu interpretieren. Der DSB betrachtet mit größter Sorge die in § 15 enthaltene Ermächtigung zur Bestimmung der Anforderungen und der Inhalte der Sportordnungen. Es kann und darf nicht sein, dass die Exekutive plötzlich bestimmt, was und wie sportlich geschossen werden soll. Man stelle sich vor, die Verordnung streicht die Disziplin Olympische Schnellfeuerpistole, weil „Schnellfeuer“ zu gefährlich ist! Hier liegt eine ganz große Gefahr, die allgemein anerkannte Autonomie des Sports auszuhöhlen. Die im vergangenen Herbst bekannt gewordenen Überlegungen aus dem BMI ließen Schlimmes befürchten. Doch nach vielen Gesprächen in Berlin und mit den Ländern sind wir zuversichtlich, dass von dieser Ermächtigung nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden wird und die grundgesetzlich garantierte freie Ausübung des Sports nicht beeinträchtigt wird.“

„Welche Neuregelung begrüßen sie ?“

„Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass die fast unendliche Geschichte der Neuregelung des Waffengesetzes nun endlich zu einem Abschluss gekommen ist. Leider hat Erfurt mit der nachfolgenden wahlkampfgeprägten politischen Hektik viele Verschärfungen gebracht, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nicht erforderlich waren. Es fällt daher schwer, einzelne Regelungen herauszugreifen. Aber positiv zu bewerten ist sicher die Neuregelung der auf Gelbe WBK zu erwerbenden Waffen; auch Regelungen zur Aufbewahrung sind im Grundsatz zu begrüßen, vor allem wenn die noch zu erstellende Allgemeine Verordnung, über die der DSB gerade mit dem BMI spricht, sachgerechte Regelungen vorsieht. Schließlich ist hier die Regelung des § 45 zu erwähnen, die auch bei Wegfall des Bedürfnisses erlaubt, von dem sonst zwingenden Widerruf der WBK bei einem Sportschützen abzusehen. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf die „kleine“ Amnestieregelung, die Straffreiheit gewährt, wenn bis zum 30. September unerlaubt besessene Waffen unbrauchbar gemacht oder abgegeben werden. Die wenigen für die Sportschützen positiven Aspekte wiegen allerdings kaum die Vielzahl von Verschärfungen auf, die vor allem nach Erfurt in das bereits vom Bundestag verabschiedete Gesetz hineingeschrieben wurden.“

„Wie geht es am 1. April weiter ?“

„Zum Inkrafttreten des Gesetzes werden weder die erforderliche Allgemeine Verordnung noch Verwaltungsvorschriften vorliegen. Zudem wird es auf Monate hinaus keinen anerkannten Schießsportverband geben. Mit dem BMI und den Ländern besteht jedoch Einigkeit, dass es hierdurch nicht zu einem Stillstand des Schießsports kommen soll. Der Innenminister wird in einem Erlass, zu dem der DSB gehört wird, vorläufige Regelungen zum Verfahren bei der Erteilung  waffenrechtlicher Genehmigungen erlassen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auf örtlicher Ebene im Einzelfall zu Problemen kommen kann. Der DSB wird unverzüglich seine Anerkennung beantragen, die nach unserer Auffassung nicht in Frage stehen dürfte. Im übrigen sind wir seit Veröffentlichung des Gesetzes in ständigem Gespräch mit dem BMI und den Ländern, um eine vernünftige Umsetzung des Gesetzes im Interesse aller Sportschützen zu erreichen.“